Stell dir vor, du fährst seit zehn Jahren mit Gas. Du sparst Geld an der Tankstelle, du hörst kaum einen Unterschied zum Benzinmotor, und du fühlst dich ein bisschen grüner als die Nachbarn mit Benzinern. Doch jetzt hörst du immer öfter: Gas wird bald obsolete. Ist das wirklich wahr? Oder ist das nur eine neue Welle der Angst, die die Elektromobilität mit sich bringt?
Was ist Gas eigentlich - und warum hat es so lange überlebt?
Gas als Kraftstoff ist nicht neu. In Deutschland wurde LPG (Flüssiggas) in den 1950er-Jahren erstmals als alternativer Antrieb für Autos getestet. Heute ist es vor allem in Osteuropa, Italien und Teilen Deutschlands verbreitet. LPG ist ein Gemisch aus Propan und Butan, das unter leichtem Druck flüssig wird. Es wird in speziellen Tanks gespeichert - meist im Kofferraum oder unter dem Fahrzeugboden. Der Motor läuft fast genauso wie bei Benzin, nur mit einer kleinen Umstellung: Ein zweites Einspritzsystem für Gas wird installiert. Kein komplizierter Wechsel, kein neuer Motor - nur eine zusätzliche Technik, die du bei Bedarf nutzen kannst.
Warum hat das funktioniert? Weil es billig war. In den 2000er-Jahren kostete LPG oft weniger als die Hälfte von Benzin. Und es war sauberer als Diesel - weniger Feinstaub, weniger Stickoxide. Viele Autofahrer haben sich damals für Gas entschieden, weil sie nicht auf das Vertraute verzichten wollten, aber trotzdem sparen wollten. Heute sind noch rund 300.000 Gasfahrzeuge in Deutschland zugelassen. Die meisten davon sind ältere Modelle, die nachgerüstet wurden. Neue Modelle mit serienmäßigem Gasantrieb gibt es kaum noch - Audi, VW und Ford haben die Produktion eingestellt.
Warum verschwindet Gas aus den Werkstätten?
Es gibt drei Hauptgründe, warum Gas heute schwerer zu finden ist als noch vor zehn Jahren.
- Die Tankstellen verschwinden. In den 2010er-Jahren gab es in Deutschland über 4.000 LPG-Tankstellen. Heute sind es noch knapp 1.800. Viele Betreiber haben aufgegeben, weil die Nachfrage sinkt und die Investitionen in neue Pumpen nicht mehr rentieren. In ländlichen Gebieten ist LPG oft gar nicht mehr verfügbar - und wer eine lange Reise plant, muss den Weg sorgfältig planen.
- Die Hersteller ziehen sich zurück. Seit 2020 haben alle großen Automarken die Entwicklung neuer Gasmodelle eingestellt. Der Grund? Die EU-Regeln für CO₂-Emissionen werden strenger. Ein Gasauto emittiert zwar weniger CO₂ als ein Benzinauto - aber nicht genug, um die strengen Grenzwerte von 95 g/km zu erreichen. Elektroautos dagegen haben nahezu null Emissionen beim Fahren. Für Hersteller ist das eine klare Entscheidung: Entweder du gehst elektrisch, oder du gehst raus.
- Die Reparatur wird schwieriger. Wer ein Gasauto hat, braucht spezielle Werkstätten. In München gibt es noch etwa 15, die LPG-Wartung anbieten. In kleineren Städten ist das kaum noch möglich. Und wenn der Gasdruckregler kaputtgeht? Dann wartest du Wochen auf Ersatzteile. Das macht den Besitz langfristig unbequem.
Wie sieht es mit LPG im Vergleich zu Elektroautos aus?
Ein Gasauto ist kein Elektroauto. Und das ist der entscheidende Punkt. LPG ist immer noch ein fossiler Kraftstoff. Es wird aus Erdöl oder Erdgas gewonnen - und seine CO₂-Bilanz ist nur um 10-15 % besser als bei Benzin. Elektroautos dagegen nutzen Strom. Und der wird in Deutschland immer grüner: 2025 stammt über 55 % des Stroms aus Wind, Sonne und Wasserkraft. Ein E-Auto, das mit diesem Strom geladen wird, hat über seine Lebensdauer bis zu 70 % weniger Klimabelastung als ein Gasauto.
Und dann ist da noch die Infrastruktur. Während LPG-Tankstellen schließen, wachsen die Ladestationen. In München gibt es heute über 1.200 öffentliche Ladepunkte - und die Zahl steigt jedes Jahr um 20 %. Ein E-Auto kannst du zu Hause laden. Ein Gasauto braucht eine spezielle Tankstelle - und die ist oft 20 Kilometer entfernt.
Die Kosten? Ein neues E-Auto wie der VW ID.3 kostet heute rund 28.000 Euro - und das ist vergleichbar mit dem Preis eines neuen Gasautos, wenn es denn noch produziert würde. Die Betriebskosten sind aber deutlich niedriger: 3 Cent pro Kilometer bei Elektro, 6-7 Cent bei LPG. Und die Wartung? Bei Elektroautos gibt es keinen Ölwechsel, keine Zündkerzen, keine Auspuffanlage. Das spart bis zu 40 % im Laufe von fünf Jahren.
Was ist mit LPG als Übergangslösung?
Einige argumentieren: LPG ist eine gute Brücke. Es ist günstig, es ist verfügbar, und es reduziert die Emissionen. Aber eine Brücke, die in den Abgrund führt, ist keine Lösung. Wenn du heute ein Gasauto kaufst, dann kaufst du eine Technologie, die in zehn Jahren nicht mehr unterstützt wird. Die Ersatzteile werden teurer, die Werkstätten schließen, die Versicherung wird teurer - weil das Auto als "veraltet" gilt.
Und was ist mit der Umwelt? LPG ist nicht klimaneutral. Es ist nur etwas weniger schlimm als Benzin. Aber wir brauchen keine "weniger schlechten" Lösungen. Wir brauchen echte Alternativen. Und die gibt es: Elektroautos, Wasserstofffahrzeuge, oder einfach weniger Auto.
Was bleibt - und wer sollte noch auf Gas setzen?
Wenn du bereits ein Gasauto hast und es gut funktioniert - dann fahre es weiter. Es macht keinen Sinn, ein funktionsfähiges Auto zu ersetzen, nur weil die Technologie ausläuft. Aber wenn du neu kaufst, dann solltest du dir die Frage stellen: Will ich in zehn Jahren noch eine Tankstelle finden, die meinen Tank füllt? Will ich für Ersatzteile 500 Euro bezahlen? Will ich mit einem Auto fahren, das die Zukunft nicht mehr mitmacht?
Es gibt nur zwei Gruppen, für die LPG heute noch sinnvoll sein könnte:
- Flottenbetreiber mit hohen Laufleistungen in ländlichen Gebieten - wenn sie keine Ladestationen haben und keine Elektroautos nutzen können.
- Sammler von Oldtimern - die ein historisches Fahrzeug mit Gasantrieb erhalten wollen, weil es damals zur Ausstattung gehörte.
Für alle anderen? Es ist kein Zukunftsmodell. Es ist ein Relikt aus einer Zeit, in der wir noch dachten, wir könnten fossile Kraftstoffe nur "etwas sauberer" machen. Heute wissen wir: Es geht nicht um sauberer. Es geht um anders.
Was kommt als Nächstes?
Gas wird nicht plötzlich verschwinden. Aber es wird langsam, aber sicher, aus dem Alltag verschwinden. Die letzten Tankstellen in Bayern werden bis 2030 geschlossen sein. Die letzten Ersatzteile werden ab 2035 nicht mehr produziert. Die letzten Gasfahrzeuge werden dann als Oldtimer gelten - und nicht als Alltagsfahrzeug.
Die Zukunft gehört den Elektroautos. Und sie gehört auch der Mobilität, die weniger Auto braucht: Carsharing, öffentlicher Nahverkehr, Radverkehr. Gas war eine gute Zwischenlösung - aber nur für eine kurze Zeit. Jetzt ist die Zeit gekommen, die nächste Stufe zu gehen.
Wenn du heute ein Auto kaufst, dann kauf es nicht für die Vergangenheit. Kauf es für die Zukunft. Und die Zukunft hat keinen Platz mehr für fossile Kraftstoffe - egal ob Benzin, Diesel oder Gas.
Ist LPG noch sicher?
Ja, LPG ist sicher - wenn es richtig installiert und gewartet wird. Die Tanks sind aus Stahl und werden auf 30 Bar geprüft. Sie sind stabiler als Benzin-Tanks. Aber die Sicherheit hängt von der Qualität der Nachrüstung ab. Eine schlecht installierte Gasanlage kann gefährlich sein. Deshalb sollte immer ein zertifizierter Fachbetrieb arbeiten - und alle fünf Jahre eine Prüfung durchgeführt werden.
Kann ich mein Benzinauto auf LPG umrüsten?
Ja, das ist technisch möglich - aber es lohnt sich kaum noch. Die Umrüstung kostet zwischen 2.000 und 3.500 Euro. Die Einsparungen an Kraftstoffkosten reichen in den meisten Fällen nicht aus, um das innerhalb von fünf Jahren wieder hereinzuholen. Hinzu kommt: Der Wiederverkaufswert sinkt, weil Käufer Angst vor technischen Problemen haben. Und die Prüfung nach der Umrüstung ist teuer und aufwendig.
Warum gibt es keine neuen Gasautos mehr?
Weil die EU-Abgasnormen (Euro 6d) und die CO₂-Ziele für Neuwagen nicht mehr mit Gasantrieben erfüllt werden können. Gasautos emittieren immer noch zu viel CO₂ - besonders wenn man den gesamten Lebenszyklus betrachtet, inklusive Förderung und Transport des Gases. Hersteller müssen ihre Flotten auf null Emissionen bringen - und das geht nur mit Elektro- oder Wasserstoffantrieben.
Wie viel CO₂ spart LPG gegenüber Benzin?
LPG spart etwa 10-15 % CO₂ im Vergleich zu Benzin - je nach Fahrweise und Fahrzeug. Das klingt gut, ist aber kaum mehr als ein kleiner Trost. Ein Elektroauto mit deutschem Strom spart bis zu 70 % CO₂. Und das ist der entscheidende Unterschied: LPG ist eine leichte Verbesserung. Elektro ist ein radikaler Wandel.
Wird Gas in der Zukunft noch für Heizungen verwendet?
Ja, aber auch hier ändert sich etwas. In Deutschland wird ab 2026 kein neues Gasheizsystem mehr in Neubauten installiert. Alte Anlagen dürfen weiterlaufen - aber sie werden nach und nach durch Wärmepumpen ersetzt. Auch hier geht es nicht um das Ende von Gas, sondern um den Übergang zu erneuerbaren Energien. LPG für Heizungen wird noch einige Jahre bestehen bleiben - aber auch das ist kein langfristiges Modell.